Aufbau der europäischen Wasserstoffwirtschaft
Aus heutiger Sicht scheint Wasserstoff die beste Lösung zu sein, um fossile Energieträger in der Industrie zu ersetzen. Allerdings müssen nun die Weichenstellungen vorgenommen werden, um CO2-freien Wasserstoff im ausreichenden Ausmaß herstellen bzw. importieren zu können.
Wie viel wird gebraucht?
Einen möglichen Weg für den zukünftigen Transport von Wasserstoff stellt die „European Hydrogen Backbone-Initiative“ – EHB dar. Das Ziel ist, bis 2040 ein europäisches Wasserstoff-Netz mit einer Länge von 40.000 km aufzubauen, das 21 europäische Länder miteinander verbindet.
Die Initiatoren des EHB veröffentlichen im Juni eine Studie zum zukünftigen Wasserstoffbedarf in der EU und in Großbritannien, zu den Kosten der Erzeugung sowie zum Transport von Wasserstoff.
In der Studie geht man davon aus, dass bis Mitte dieses Jahrhunderts die jährliche Wasserstoff-Nachfrage in der EU und in Großbritannien bei ca. 2.300 TWh liegen wird (wobei die Schätzungen von 2.150 – 2.750 TWh reichen).
Industrie
Der jährliche industrielle Wasserstoffbedarf in der EU und in Großbritannien wird dabei mit 1.200 TWh Stunden angenommen. Davon sollen 200 TWh für die Erzeugung von Prozesswärme im Hoch- und Mitteltemperaturbereich eingesetzt werden. Rund 1.000 TWh sollen den Grauen Wasserstoff ersetzen, der derzeit vor allem als Grundstoff in der chemischen Industrie, in der Stahlerzeugung und bei der Erzeugung von Treibstoffen zum Einsatz kommt.
Stromversorgung
Für die Sicherung der Stromversorgung durch Gaskraftwerke werden jährlich rund 650 TWh benötigt werden.
Mobilität
Bei der Dekarbonisierung des Verkehrs sollen rund 300 TWh Wasserstoff zum Einsatz kommen. In dieser Zahl noch nicht enthalten ist der Wasserstoffbedarf für den Flugverkehr, der in der Studie dem Industriebedarf zugerechnet wird.
Raumwärme
Auch bei der Dekarbonisierung des Raumwärmemarktes sollen Wasserstoff und dekarbonisierte Gase eine bedeutsame Rolle spielen. Gemäß den Annahmen der Studie wird 2050 der europaweite Wasserstoffbedarf für Raumwärme bis zu 600 TWh betragen. Vielfach wird er in hybriden Heizsystemen Verwendung finden.
Potenziale und Kosten
Die Studie stellt ein beträchtliches Potenzial für die Produktion von Grünem Wasserstoff fest. Wie viel es wirklich sein wird, hängt letztendlich vom Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ab. 2030 soll das mögliche Potenzial 450 TWh betragen, 2.100 TWh macht es gemäß der Studie im Jahr 2040 aus und 4.000 TWh im Jahr 2050.
Will man die Potenziale für Grünen Wasserstoff erschließen, so ist ein rascher und ambitionierter Ausbau der erneuerbaren Solar- und Windkraft-Kapazitäten notwendig.
Um den angenommenen Bedarf an Grünem Wasserstoff im Ausmaß von 2.150 bis 2.750 TWh abdecken zu können, würden 2.900 – 3.800 TWh an Elektrizität benötigt. Die gesamte installierte Leistung aller Stromerzeugungsanlagen in der EU und in Großbritannien betrug im Jahr 2017 ca. 1.000 GW, die Bruttostromerzeugung ca. 3.250 TWh.
Für den Fall allerdings, dass genügend erneuerbare Erzeugungsanlagen errichtet werden, könnte nach den Annahmen der Studie aber schon ab 2040 der Bedarf an Grünem Wasserstoff in Europa durch das vorhandene Potenzial abgedeckt werden. Und das zu geringeren Kosten als für Grauen Wasserstoff oder fossile Energieträger, denen dann wohl europaweit ein CO2-Preis aufgeschlagen wird.
2050 könnte beinahe das gesamte angenommene Potenzial von 4.000 TWh zu einem Preis von weniger als €2/kg erzeugt werden (1 kg H2 entspricht einer Energiemenge von 33,33 KWh). 2.500 TWh könnten mit weniger als €1,5/kg) hergestellt werden und 600 TWh zu weniger als €1/kg.
EHB sorgt für günstigen Transport
Wasserstoff-Pipelines sind die günstigste Möglichkeit, um große Mengen über weite Strecken zu transportieren. In der Studie werden dafür Kosten im Bereich von €0,11 – 0,21/kg (€3,3-6,3/MWh) pro 1.000 km angenommen. Der Transport mit Schiffen innerhalb Europas bzw. aus benachbarten Regionen wie Nordafrika oder Saudiarabien wären um das 3- bis 5-fache teurer als Pipeline-Transporte.
Importe von Wasserstoff möglich
Der EHB ist auch eine Chance, die Wasserstoff-Potenziale außerhalb der Region EU/Großbritannien zu nutzen. In der Studie wird davon ausgegangen, dass auf diese Weise bis 2040 Grüner Wasserstoff aus der Ukraine und aus Nordafrika zu Kosten von €1,5 - 2,5/kg bezogen werden könnte. Derartige Importe wären auch möglicherweise eine Lösung für die Probleme bei der Flächenverfügbarkeit und der sozialen Akzeptanz, z.B. bei der Errichtung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen, die in vielen Ländern der EU auftauchen werden.